Konkrete Solidarität mit Flüchtlingen und Migranten

Von Traugott Jähnichen

Das heutige Programm stand im Zeichen des Austausches über Erfahrungen in der praktischen Solidaritätsarbeit mit Flüchtlingen und Migranten. Besonders eindrücklich war die Diskussion mit Dr. Cindy Leppley und ihren Studierenden an der Heidelberg-University in Tiffin/Ohio. Im Rahmen eines obligatorischen „Social Justice Orientation-Programs“ organisiert Cindy sog. „Border-Trips“ mit ihren Studierenden, die nach einer inhaltlichen Vorbereitung an der Uni für eine Woche in eine “Kolonie“ gehen, in der in die USA eingewanderten „Hispanics“ ca. 10 Meilen von der Grenze entfernt leben.

Die Studierenden kommen eher aus konservativ geprägten Elternhäusern. Sie arbeiten in der “Kolonie“ mit Kindern und Jugendlichen, wobei Sport eine zentrale Rolle spielt. Die Verständigung ist oft schwierig, da die Eltern der Kinder und zumindest die Jüngeren kaum Englisch sprechen und nicht alle Studierende über entsprechende Spanischkenntnisse verfügen. Dennoch ist es für beide Seiten äußerst bereichernd: Die Kinder und Jugendlichen freuen sich schon im Vorfeld lange Zeit ungemein auf die Studenten- und Highschool-Schülergruppen (in der Regel sechs Gruppen jeweils eine Woche), vor allem aber erschließt sich den Studierenden eine „neue Welt“ im eigenen Land. Die Väter der Kinder sind oft Land- und Wanderarbeiter, teilweise ohne legalen Aufenthaltsstatus (viele arbeiten im Sommer auch in Ohio), die Mütter kümmern sich um die Kinder, die erst in der Schule Kontakte zu anderen Gleichaltrigen erhalten.

Die Berichte der Studierenden sowie die Auswertungen von Cindy zeigen, wie sehr sich die Einstellungen gegenüber Migranten durch diese Erfahrungen positiv verändern und wie bereichernd die Studierenden das Kennenlernen einer fremden Kultur erleben. Da die meisten von ihnen das Lehramt anstreben, wird auf diese Weise der Boden für eine grundlegend neue Einstellung gegenüber Arbeitsmigranten bereitet. Ganz aktuell ist ein gerade gestartetes Programm, bei dem bilinguale Studierende der Heidelberg-University als Übersetzer für asylsuchende Flüchtlinge aus Zentralamerika arbeiten.

Der bereits zweite Besuch unserer Gruppe in einer Institution, die soziale Arbeit mit Flüchtlingen leistet (am Samstag im „International Institut“ in Akron, heute im „CRIS“ Community Refugee & Immigration Services in Columbus), zeigt, wie ähnlich und zugleich verschieden die Situation in den USA und bei uns in Deutschland ist. Die praktische Integrationsarbeit mit Sprachkursen, Arbeitsvermittlungen, Schülerhilfen u.a. ist ähnlich strukturiert. In beiden Kontexten wird ein bedeutender Anteil der Arbeit durch Freiwillige geleistet, insbesondere um den Flüchtlingen viele persönliche Begegnungen zu ermöglichen. Der rechtliche Rahmen ist freilich sehr unterschiedlich: In den USA gibt es eine „Obergrenze“ der Aufnahme von Flüchtlingen, die jährlich vom Präsidenten festgesetzt wird und seit zwei Jahren sinkt. In diesem Jahr sind nur 45.000 Plätze für Flüchtlinge vorgesehen, vermutlich werden aber nur rund die Hälfte aufgenommen werden. Legal einreisen dürfen nur im Vorfeld in Zusammenarbeit mit der UNHCR (UN-Flüchtlingshilfswerk) offiziell anerkannte Flüchtlinge. Nur für sie dürfen die Institute tätig werden. Die Mitarbeitenden und Freiwilligen fragen sehr interessiert nach der deutlich anderen Situation in Deutschland. Eine Mitarbeiterin der CRIS, eine junge Somalierin, erzählt uns in diesem Zusammenhang, wie ihre Schwester in rund eineinhalb Jahren den Weg quer durch Afrika über Libyen nach Deutschland geschafft hat und dort nun in Berlin lebt. Sie hat ohne größere Probleme bei uns Asyl erhalten. Die junge Somalierin wird bald ihre Schwester in Deutschland besuchen und bedankt sich bei uns geradezu überschwänglich für die großzügige Hilfe unseres Landes. Dies macht uns verlegen, wissen wir doch um die Schwierigkeiten, die viele Flüchtlinge bei uns haben. Für die junge Somalierin ist Deutschland in der Flüchtlingspolitik ein Vorbild, weitere Geschwister von ihr leben in Norwegen und England. Am liebsten würde sie gemeinsam mit ihnen irgendwo in Europa leben, am liebsten in Deutschland.