Ein vier Meter hoher Zaun und viel Polizei. Nicht gerade einladend. Der Hotspot von Pozzallo, eines von vier Auffanglagern, die es in Italien gibt. Ihre Aufgabe ist es, die Flüchtlinge zu registrieren gleich nach der Ankunft einzuteilen: in solche mit und solche ohne Bleibeperspektive.
Unser Besuch musste ein Vierteljahr vorher beantragt werden, es ist ein Privileg, dieses Gelände als Besucher betreten zu dürfen. Es liegt direkt am Hafen der Kleinstadt Pozzallo. Hier kommen Schiffe der Küstenwache, der italienischen Marine und andere an, die Flüchtlinge in Seenot gerettet haben.
Commissario Alberto Salerno von der örtlichen Polizei ist verantwortlich für die Sicherheit. Er erklärt uns das Verfahren: Auf See melden die Schiffe ihre bevorstehende Ankunft mit der Zahl der Flüchtlinge. Hat ein Schiff angelegt, gehen zuerst Ärzte an Bord und untersuchen die Ankömmlinge. Bestimmte ansteckende Krankheiten führen zu Quarantäne auf dem Schiff. Direkt am Kai erfolgt dann die Registrierung, Name, Herkunftsland, Geburtsdatum, Grund der Flucht. Durchsuchung auf Waffen, Laptops, Mobiltelefone. Ein Foto und eine Identifikationsnummer, die jeder auf einem Band um das Handgelenk erhält, später gibt es dazu eine Kennkarte mit Nummer und Bild. Die meisten Flüchtlinge betreten Europa ohne Ausweispapiere.
Der italienische Staat betreibt einen beträchtlichen Aufwand. 35 Euro täglich pro Flüchtling sieht das Budget vor. Davon werden die Hotspots und die anderen Unterkünfte finanziert, die Registrierung, Verpflegung und medizinische Betreuung. Jeder Neuankömmling erhält einen olivgrünen Rucksack aus LKW-Plane mit einer warmen Jacke und anderen Kleidungsstücken, einer Thermodecke und weiteren Gebrauchsgegenständen. Auch Sprachunterricht als Integrationsmaßnahme gibt es, zumindest vereinzelt: Im Hotspot sitzen ein paar Afrikaner mit Lehrerinnen und lernen Italienisch.
Ein Beamter des Innenministeriums ist schon bei der Ankunft dafür zuständig, die Flüchtlinge umgehend nach ganz Italien weiterzuverteilen. Denn länger als zwei bis drei Tage sollen sie sich hier im Hotspot nicht aufhalten. Eine Ausnahme sind die unbegleiteten Minderjährigen, die besonderen Schutz brauchen und für die nur sehr begrenzt Unterkünfte vorhanden sind. Die Einrichtung ist für 240 Personen ausgelegt, soll jetzt auf 290 Plätze erweitert werden. Oft drängten sich hier weit über 300 Menschen. Im Jahr 2016 haben 19.000 Personen den Hotspot von Pozzallo durchlaufen. Das macht im Schnitt 50 Aufnahmen und Abgänge pro Tag.
Eine der weiterführenden Adressen ist das Haus der Kulturen in Scicli, wo Minderjährige und Frauen unterkommen. Für Antonio Vetrano, den Organisator vom Innenministerium, ist es eine der besten Adressen: „Die Arbeit, die dort geschieht, ist beispielhaft.“
Drei Viertel erhalten einen Aufenthaltstitel, berichtet der Commissario. Und was ist mit dem übrigen Viertel? Sie können dagegen Widerspruch einlegen. Die Antwort des Polizisten lässt ahnen, dass dieser Weg allenfalls in der Theorie funktioniert. Ja, es gebe verschiedene Möglichkeiten, doch die seien langwierig und teuer. Wenn sie alle ausgeschöpft sind, werde die betreffende Person „freundlich eingeladen, das Land zu verlassen“. So hört sich das in der Übersetzung aus dem Italienischen an. Eine Farce, sagt uns Paolo Naso später, der im Auftrag des italienischen evangelischen Kirchenbundes (FCEI) das Projekt Mediterranean Hope leitet. In Wirklichkeit, erklärt Naso, sortieren die Behörden stumpf nach Herkunftsland: Wer aus Syrien oder Ertrea oder Somalia kommt, darf bleiben, wer aus Gambia, von der Elfenbeinküste oder aus Mali kommt, hat keine Chance auf eine legale Bleibeperspektive. „Eine individuelle asylrechtliche Prüfung findet nicht statt“, kritisiert der Jurist Dr. Michael Bertrams. „Der Hotspot entspricht dem Massenverfahren. Das heißt: Es gibt nur eine länderbezogene Schutzgewährung.“
Hinzu kommt; Die Frage der Rückreisekosten ist ungeklärt. Die Folge: Viele tauchen in die Illegalität ab – und sind als billige Arbeitskräfte, ohne jede Absicherung, durchaus gefragt.
Kirchenleitungsreise der EKvW 3.-8.3.2017
Posted by Kirche unterwegs – Reiseblogs der EKvW on Samstag, 4. März 2017