Um 7.30 Uhr geht es zurück von Paraguay nach Argentinien in die Nähe der 4.000 Einwohner Stadt Ruiz de Montoya. Etwa fünf Kilometer vor den Toren der Stadt steht die Schule Takuapí, direkt neben einer Siedlung der Guaraní, einem indigenen Volk Südamerikas.
Dort werden wir herzlich von Pfarrer Hilario Tech, Vikarin Karla Steilmann und Vertretern der Schweizer Evangelischen Gemeinde von Ruiz de Montoya begrüßt. Während draußen Palmenblätter im Wind rascheln, sind im Hintergrund leise Kinderstimmen zu hören. Sie kommen aus dem Schulgebäude, wo gerade die letzte Unterrichtsstunde läuft.
Hier in der Schule haben die Kinder der Guaraní die Möglichkeit, neben ihrer Muttersprache auch Spanisch zu lernen, wie uns Alicia Novosat, die Leiterin der Schule erläutert. Sie lernen lesen, schreiben und rechnen. Und regelmäßig steht Computerunterricht auf dem Programm. Dafür ist Ole Depenbrock verantwortlich, der gerade ein freiwilliges soziales Jahr in der Schule absolviert.
Draußen riecht es bereits nach frisch gekochtem Essen. Die ersten Kinder haben ihre Teller bereits leer, als wir auf die geräumige Terrasse treten. Morgens gibt es für alle ein Frühstück und Mittags endet der Schultag für die Kinder mit einer warmen Mahlzeit. Für die Kosten des Essens kommt der Staat auf. Ebenfalls für die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer. Ansonsten wird die Schule von der Schweizer Evangelischen Gemeinde getragen, die zum Beispiel für die Unterhaltung der Gebäude verantwortlich ist.
Was auffällt: in den Klassenzimmern ist es zwar nicht mucksmäuschenstill, aber im Vergleich zu deutschen Schulen sehr ruhig. Die Kinder haben zuhause gelernt zu schweigen, wenn sich Erwachsene unterhalten. Aber auch als wir schon längst wieder im Freien stehen, bleibt es leise.
Selbst in dem Klassenraum, der an das Computerzimmer angrenzt, ist das so. Dort sitzt ein 14-jähriges Guaraní-Mädchen mit einem Baby auf dem Arm an ihrem Platz. Das ist nicht etwa ihre kleine Schwester sondern ihre Tochter. Doch auch die ist leise, spielt hin und wieder mit einem grünen Maiskolben aus Plastik. So kann (und muss) das Mädchen gleichzeitig lernen und auf ihr eigenes Kind aufpassen.
Um Punkt 12 Uhr laufen die Kinder zum Platz vor dem Haupteingang der Schule. Dort steht der große Fahnenmast. Zu Beginn eines jeden Schultages werden zwei Fahnen gehisst und am Ende des Tages wieder eingeholt. Dafür sind die Kinder selbst verantwortlich. So ziehen zwei Mädchen auf Kommando an den Seilen, lassen die Fahnen herunter und bringen sie anschließend ins Schulgebäude.
Dann geht es nach Hause. Das ist für die meisten Kinder hier nur wenige Fußminuten entfernt. Die Siedlungen der Guaraní liegen direkt neben der Schule. Sie wohnen in einfachen Hütten. Wäsche hängt vor der Haustür. Ein kleiner Garten mit unterschiedlichen Pflanzen ist zu sehen.
Die Guaraní möchten so leben. Man habe ihnen an anderer Stelle Häuser aus Beton gebaut, erzählt der Präsident der Gemeinde. Doch die hätten die Guaraní für ihre Tiere nutzen wollen. Viele der Kinder, die mit der Schule fertig sind, möchten auch weiterhin so naturnah leben. Die Schule hat ihnen zwar die Grundlagen vermittelt, um sich in der Gesellschaft zurecht finden zu können. Doch nur wenige Schulabgänger nutzen dieses Fundament für eine berufliche Karriere.
Endlich hört man Kindergeschrei. Kein Wunder: ein paar Jungs haben das runde Leder aus dem Haus geholt und bolzen eine Runde auf dem Rasen hinter den Hütten. Gut, dass wir bei extrem schwülen 38 Grad nicht mitspielen müssen.
Mittags geht es rüber nach Ruiz de Montoya zum Instituto Línea Cuchilla, einer Berufschule für über 400 Jugendliche und junge Erwachsene. Rund 170 von ihnen leben im schuleigenen Internat. Nachdem die Schule 1962 ihren Betrieb mit dem Schwerpunkt Landwirtschaft aufgenommen hat, sind inzwischen die Fachbereiche Technik und Tourismus hinzugekommen.
Nach einem Mittagessen in der Mensa feiern wir eine Andacht in der Kirche, die ebenfalls auf dem Gelände steht. Anschließend besichtigen wir bei unbarmherzig scheinender Sonne das Gelände und die Lehrwerkstätten. Und natürlich auch den schuleigenen Shop, in dem wir Ole wiedertreffen, den wir bereits aus der Schule Takuapí kennen. Nachmittags, wenn die bilinguale Schule geschlossen hat, muss er sich um andere Dinge kümmern. Zum Beispiel um den Verkauf der handgearbeiteten Holztiere und Körbe.