Der Bürgermeister ist nicht da. Nach einiger Wartezeit empfängt uns Manfred Murandi, der persönliche Assistent des Stadtoberhauptes, in einem gediegenen Saal im Rathaus der kleinen Stadt Arandis. Herr Murandi, ein junger Mann im quietschgrünen T-Shirt, sitzt in einem der schweren Ledersessel und erklärt uns die Geschichte seiner Stadt.
Arandis ist eine Gründung der 1960-er Jahre. Damals begann die englische Firma Rössing die Uranvorkommen in der Nähe auszubeuten. Die Bergleute, die oft von weither kamen, brauchten Quartiere. Eine Bergarbeitersiedlung entstand. Es waren Schlafplätze für die Arbeitskräfte, die weit weg von ihren Familien hier Geld verdienten.
Dann kam das Jahr 1990. Namibia wurde unabhängig, der Rössing-Konzern zog seine Investitionen massiv zurück und entließ 60 Prozent der Arbeiter. Die Bevölkerung schrumpfte von 4.000 auf 1.000 Einwohner, die Stadt drohte eine Geisterstadt zu werden. Der Staat musste die Verantwortung für die gesamte Infrastruktur übernehmen, die vorher in Händen des Konzerns gelegen hatte. Dafür fehlte jedoch das nötige Geld, weil es keine Steuereinnahmen gab. Die Zeiten waren unsicher, niemand wusste, wie es weitergehen würde. Viele Arbeiter zogen in ihre Heimat zurück. Plötzlich standen in Arandis fast 2.000 Häuser leer. Vandalismus und Gewalt kamen auf.
Mit diesen Problemen hat die kleine Stadt immer noch zu kämpfen. Doch die Verantwortlichen im Rathaus sind fest entschlossen, den Strukturwandel anzugehen. „Durch die Gnade des Allmächtigen konnten wir diesen Weg bisher erfolgreich beschreiten“, sagt Manfred Murandi. Und man merkt, dass er und seine Mitstreiter nicht passiv auf Gottes Gnade warten. Sie werben um Investoren und sind dabei erfolgreich. Noch immer arbeiten in dem Städtchen mit inzwischen 8.000 Einwohnern 40 Prozent der Erwerbstätigen im Uranbergbau. Aber: „Wenn die Mine morgen schließen würde – Arandis würde trotzdem überleben“, sagt er. Das vielversprechendste Zukunftsprojekt ist die Sonnenenergie. „Wir haben hier 367 Sonnentage im Jahr“, erklärt Murandi, ohne die Miene zu verziehen. Und er genießt die Überraschung und Heiterkeit, die seine Übertreibung bei uns auslöst. Ein großes Fotovoltaik-Kraftwerk ist geplant, Investoren (aus Schweden und aus Finnland) sind bereits gefunden, die Förderanträge beim Energieministerium gestellt, die Fläche ausgewiesen – es könnte bald losgehen, wenn vom Ministerium Geld und grünes Licht kommt. Dabei will die Stadt das Feld nicht den ausländischen Investoren überlassen, sondern selbst die Fäden in der Hand haben, Anteile halten. „We want to be part of the project from the beginning to the end“, unterstreicht Murandi.
Gewiss: Soziale Probleme gibt es in der kleinen Stadt nach wie vor jede Menge. Die meisten Jugendlichen sind arbeitslos, wie auch anderswo im Land. Gemeinsam mit den Kirchen versucht die Stadt mit Sozialprogrammen dagegen anzugehen. Auf der Rückseite des quietschgrünen T-Shirts von Manfred Murandi steht: „Arandis, the Gateway to Industrial Excellence 2015“.