Von Dr. Manfred Scholle
Von Anfang an waren es Frauen. Vor 13 Jahren fand sich eine Gruppe in der Kirchengemeinde Tanidare zusammen, die der bitteren Not, dem Elend und der Gewalt vor ihrer Haustür nicht tatenlos zusehen wollte. Das war der Beginn des Tanidare Empowerment Centre (TEC).
Das Aufgabenfeld ist seitdem nicht kleiner geworden: Tanidare liegt am Rand des riesengroßen Slumvuertels Katutura, das sich rapide ausbreitet. Vor wenigen Jahren hatte Windhoek noch 300.000 Einwohner, heute sind es über 600.000. Nach Katutura, nur wenige Kilometer vom fast beschaulichen Zentrum entfernt, kommen die Mittellosen aus ländlichen Gegenden Namibias, aber auch aus Angola und Simbabwe, die in Windhoek auf Arbeit und eine Lebensperspektive hoffen. Bis zum Horizont reichen die Wellblechhütten.
Es sind vor allem die Schwachen und Verletzlichen, denen das Empowerment Centre Kraft zum Leben gibt: Frauen, die Gewalt erlitten haben, vergewaltigt wurden; Kinder, deren Eltern sich nicht um sie kümmern können oder wollen. Verwaltungsleiterin Dorret Tseitseimou berichtet zum Beispiel von dem elfjährigen Mädchen und dem 14-jährigen Jungen, die durch die Alkoholkrankheit ihrer Mutter schwer körperlich und geistig behindert sind. Oder von der alleinerziehenden siebenfachen Mutter, die es beim besten Willen nicht schaffte, ihre Kinder – drei davon gehörlos – zu ernähren. Dazu gibt es eine regelmäßige Suppenküche, zu der viele kommen und noch Essen für ihre Angehörigen mit nach Hause nehmen. Neben der Küche ist ein großer Saal, in dem die Gemeinde Tanidare früher ihre Gottesdienste feierte, bevor sie eine neue Kirche baute. Er wird auch für private Festlichkeiten vermietet, was dem Projekt etwas Geld bringt. Es gibt medizinische Versorgung. Es gibt den Kids Club, der alle zwei Wochen 85 Kinder zu Spielen und Gemeinschaft zusammenbringt. Und – ganz wichtig – es gibt Bildungsangebote, Seminare für Frauen, für Männer, für Jugendliche. Alternativen zur Gewalt kann man dort zum Beispiel erfahren. Frauen leiden oft unter der Brutalität auch ihrer eigenen Männer.
TEC ist mit anderen Hilfsorganisationen vernetzt; im Notfall muss die Polizei gerufen werden. In ganz Windhoek existieren lediglich zwei Frauenhäuser, wo Gewaltopfer Zuflucht finden können. Die Platzzahl ist gering, die Aufenthaltsdauer auf zwei Wochen beschränkt. Erna Motinga erzählt das ganz nüchtern und sachlich. Und doch spürt man der gelernten Kauffrau ab, dass ihr Herz für diese Menschen schlägt. Sie ist Projektmanagerin von TEC, arbeitet auf Honorarbasis.
Und man merkt auch den Stolz darauf, dass sie und ihre Kolleginnen es immer wieder geschafft haben, für die Finanzierung der Arbeit zu sorgen. Es gelingt ihr, ganz verschiedene Geldgeber zu überzeugen. Die US-amerikanische Botschaft gehört zu den Unterstützern, mehrere Firmen und ebenso die Vereinte Evangelische Mission (VEM), unter deren Dach ein Partnerschaftsfonds eingerichtet werden konnte.
Und der namibische Staat? Er kümmert sich nur sehr ungenügend um seine schwächsten Bürger, berichtet Naomi Kisting, die Partnerschaftskoordinatorin der Evangelisch-lutherischen Kirche in der Republik Namibia (ELCRN). 15 Kindern in Not konnte das Tanidare Empowerment Centre in diesem Jahr helfen. 80 weitere stehen vor der Tür.
Andris Lebe ist Pastor der Gemeinde Tanidare. Sie zählt 8.000 Mitglieder und wächst ständig, ebenso wie die Bevölkerung in diesem Teil Windhoeks. Pastor Lebe betont: Das Empowerment Centre ist zwar ein evangelisch-lutherisches Projekt, doch die Hilfe gilt allen. Wenn er gerufen wird, fragt er nicht nach der Gemeindezugehörigkeit.