24. Februar 2014
Dr. Michael Bertrams
Über Schlaglöcher, Bodenwellen, Staub, Dreck und Vulkansteine erreichen wir das Flüchtlingslager Mugunga. 21.000 Menschen, verteilt auf 4.100 Familien, haben hier in den vergangenen Jahren Zuflucht und Schutz gefunden – vor einer im nordöstlichen Kongo mordenden, vergewaltigenden und plündernden Soldateska.
In wenigen Minuten sind wir umzingelt von einer großen Schar von Flüchtlingen, überwiegend Männer, aber auch viele Kinder, darunter viele Kleinkinder. Sie alle blicken mit großen Augen stumm und ernst auf die weißen Besucher. Wir erwidern die Blicke der Kleinsten, und schon geht ein Lächeln über ihre schönen Gesichter, und immer mehr flüstern uns ein verlegenes „bon jour, bon jour“ zu. Einige greifen nach unseren Händen und begleiten uns auf dem Weg durch das Lager, das für viele seit Jahren ihr Zuhause ist. Ein Zuhause? Es fällt schwer, in dieser Anhäufung von Elend ein Zuhause zu sehen. Unter primitivsten Umständen leben die Menschen hier in notdürftig errichteten Zelten mit der Aufschrift UNHCR. Der Hohe Flüchtlingskommissar hat nicht nur die Zelte aufstellen lassen, er sorgt auch für die tägliche Verpflegung. Auf scheppernden LKWs wird sie angerollt. Es reicht gerade zum Überleben: ein paar Bohnen, Mais, Reis und Brot. Wasserleitungen aus schwarzen Hartgummirohren durchziehen das Lager vorbei an Zelten, die immer wieder löchrige Dächer und aufgerissene Seitenteile aufweisen. Kaum Schutz gegen die Regenschauer, die jetzt in der Regenzeit immer wieder mit großer Wucht niedergehen. Es grenzt an ein Wunder, dass diese Behausungen auf dem felsigen Untergrund aus Lavagestein Halt finden. Immer wieder stolpern wir über die kaum begehbaren Wege. Viele Kinder gehen barfuß über die scharfkantigen Steine, andere in verschlissenen Gummischuhen oder verschmutzten Flipflops. Der Weg führt uns vorbei an provisorisch errichteten Wasserstellen, an denen Frauen und Kinder den dünnen Wasserstrahl in schäbige Plastikkanister füllen. Wenige Meter weiter strömt uns der beißende Geruch einer provisorischen Toilettenanlage entgegen. Wir stellen uns vor, was es bedeutet, sich diesen Ort mit einer Unzahl von Menschen teilen zu müssen. Plötzlich tauchen kleine schwarze Ziegen auf. Sie gehören zum geretteten Hab und Gut einiger Lagerbewohner. Ein ungeheurer Reichtum. Reichtum bedeutet es auch, an diesem Ort des menschlichen Elends einen eigenen kleinen Laden zu besitzen. Mit Hilfe unserer Partnerkirche CBCA ist dies einer Lagerbewohnerin gelungen. Stolz zeigt uns Wimana Claudine, 29 Jahre alt und Mutter von sieben Kindern, ihre in einem schäbigen Zelt untergebrachte kleine „Bäckerei“. Die Erträge aus diesem Geschäft erlauben ihr dann und wann eine Fanta. Ein Luxus, von dem hier kaum jemand zu träumen wagt.
Die Hoffnung der Flüchtlinge richtet sich auf eine Rückkehr in ihre angestammten Heimatorte. Doch noch immer treiben dort mörderische Milizen ihr Unwesen.
Wir verabschieden uns mit großer Herzlichkeit, vor allem von den Kindern. Ihr Anblick zerreißt einem das Herz. Doch mit bloßem Mitleid und Tränen ist hier niemandem geholfen. Ich werde mich dafür stark machen, dass unsere westfälische Kirche über die CBCA konkrete Hilfe zur Linderung dieser dramatischen Not leistet.