Die „Bodelschwingh“ auf dem Grund des Kivusees

27. Februar

Wieder in Ruanda: In Kibuye, der beschaulichen Kleinstadt am südlichen Ende des Kivusees sind wir heute Nachmittag angekommen.


Hier wirkten vor gut hundert Jahren Missionare aus Bethel. Mit dem Namen „Bodelschwingh“ ist hier eine ganz besondere Geschichte verbunden.
Die Missionare dachten praktisch und strategisch, dabei immer an der Bibel orientiert. Sie wollten für ihre Aufgabe hier am Ufer des großen Sees ein Boot. Schon Jesus hat aus praktischen Gründen vom Boot aus gesprochen, wenn die Menge der Zuhörer an Land so groß war: Vom Wasser aus erreichten seine Worte mehr Menschen.
Also fassten die Missionare den Plan, ein Boot zu bauen. Bethel warb um Spenden für das Projekt, das Geld kam schnell zusammen. Eine Bremer Werft baute das stählerne Wasserfahrzeug. Das Transportproblem löste man den Umständen entsprechend: Das Boot wurde in Teile zerlegt, jeder Teil so bemessen, dass ihn ein Träger auf dem Kopf tragen konnte. Diese Teile gelangten auf dem Seeweg nach Mombasa und von dort per Bahn – die Eisenbahnlinie war vor kurzem gebaut worden – nach Kampala am Viktoriasee. Dort (im heutigen Uganda) luden ungezählte Helfer die Teile auf landesübliche Boote. Quer über den Viktoriasee transportierte man sie nach Bukoba (im heutigen Tansania). Von hier ging es mit Muskelkraft weiter: Träger schleppten die Bootselemente wochenlang bis zum Ziel, an den Kivusee. Als sich die deutschen Techniker dort daran machten, das Boot zusammenzubauen, ernteten sie Unverständnis: Niemand hier konnte sich vorstellen, dass Metall schwimmen könnte. (Übrigens war das in Deutschland nicht anders, als hundert Jahre zuvor im Schiffsbau die ersten Metallkonstruktionen zu Wasser gelassen wurden.)
Im Jahr 1912 kam die „Bodelschwingh“, so der ehrwürdige Name des Bootes, auf dem Kivusee erstmals zum Einsatz. Nur zwei Jahre später begann der erste Weltkrieg. Deutsche und belgische Kolonialtruppen kämpften gegeneinander. Die deutschen Militärs beschlagnahmten die „Bodelschwingh“ und verschafften sich damit einen entscheidenden Vorteil: Das Boot, mit einer Kanone bestückt, konnte vom Kivusee aus die Ufer beherrschen. Zwei Jahre lang behaupteten sie sich auf diese Weise. Als 1916 englische Truppen von Norden her anrückten, sahen sich die Deutschen zum Rückzug gezwungen. Damit war die deutsche Kolonialgeschichte in Ostafrika beendet.
Zuvor jedoch versenkten die kaiserlichen Soldaten die „Bodelschwingh“, um sie dem Feind nicht in die Hände fallen zu lassen. Seitdem rostet sie auf dem Grunde des Kivusees vor sich hin, Touristen, die eine Bootsfahrt machen, wird gerne erzählt, man könne das versunkene Gefährt mit der wechselvollen Geschichte an einer bestimmten Stelle bei guten Lichtverhältnissen, Windstille und klarem Wetter sehen. Ob das stimmt, ist nicht verbürgt…
Die Spenderinnen und Spender, die ihr Geld für den Bau eines Missionsbootes gaben, haben seinen krassen Bestimmungswechsel sicher nicht geahnt.