Der Geldschrank des Herrn Nommensen


17.6.13

Bis heute ein Geheimnis: Nommensens Tresor
Ludwig Ingwer Nommensen wird in den Batak-Kirchen fast wie ein Heiliger verehrt. Der aus Nordfriesland stammende Missionar taufte 1865 auf Sumatra die ersten Familien. Als er 1918 in Sigumpar starb, hatte die Toba-Batak-Kirche 180.000 Mitglieder. Heute sind es 4,5 Millionen, Tendenz steigend.

Sein Grab wird uns mit Stolz und dankbarer Verehrung gezeigt. Daneben steht ein Häuschen, eine Art Kapelle, und in diesem winzigen Gebetsraum findet man einen eisernen Kasten, alt und etwas rostig, mit einem Drehgriff und einem kleinen Schlüsselloch. Es handelt sich um den Tresor von Nommensen. Darin verwahrte der Gründer der Batak-Missionskirche wohl Geld und wichtige Unterlagen. Was sich aber heute noch darin befindet, weiß kein Mensch, denn der Geldschrank erfüllt seine Funktion zuverlässig bis heute: Er lässt sich nicht öffnen. Der Schlüssel ist längst verschollen. Ephorus Willem Simarmata, leitender Theologe der Toba-Batak-Kirche (HKBP), will nicht ausschließen, dass Nommensens Tresor irgendwann feierlich geknackt wird – dazu wären Sachverstand und schweres Gerät nötig –, doch bisher ist man der Sache nicht auf den Grund gegangen. Ob man die Tagebücher des verehrten Kirchengründers finden würde oder andere wertvolle Dokumente? Oder vielleicht auch gar nichts? Vielleicht zeugt es von Weisheit, dass die Verantwortlichen dieses Geheimnis bestehen lassen…

Strenges, erfolgreiches Regiment
Serepina Siguntang hat ihren Laden im Griff, das merkt man sofort. Die Diakonissenschule in Balige nennt sich stolz „Theologisches Seminar für Diakonissen der HKBP“. Der Stolz ist berechtigt, denn was uns Oberin Serepina vorführt, ist eindrucksvoll: Hier absolvieren 50 junge Frauen eine anspruchsvolle Ausbildung, die sie zu sozialer Arbeit auf verschiedensten Feldern qualifiziert. In ganz Indonesien sind sie tätig. Auf dem Land unterstützen sie Bäuerinnen durch Schulung und Beratung. In Schulen und Hochschulen arbeiten sie als Lehrerinnen und Dozentinnen. Als Hebammen, Krankenschwestern oder Erzieherinnen sind sie ebenso im Einsatz wie in der Leitung von Studentenheimen, in Kirchengemeinden, im Verwaltungsbereich. Wir treffen auf eine gut geführte, bestens gepflegte Einrichtung. Die jungen Frauen singen für uns (Bild), tanzen für uns, freuen sich offenkundig über unseren Besuch. Eine von ihnen präsentiert mit Powerpoint das Programm. Der verbindliche Fächerkanon reicht von Anthropologie und Musiktheorie über Altes und Neues Testament, Psychologie und Sozialethik bis hin zu Seelsorge, Verwaltung und Ernährungswissenschaft (um nur einige Beispiele zu nennen). Wahlweise gibt es dann noch Deutsch, alte Sprachen, Landwirtschaft, EDV oder Feministische Theologie. Dass Serepina Siguntang ein strenges Regiment führt, spüren wir als Besucher: Wir haben keinerlei Gelegenheit zu Gesprächen mit den Schülerinnen. Das Ganze ist auf Vorführung angelegt. Schade, denn die jungen Frauen wären gewiss in der Lage, eigenständig zu antworten.

Andererseits: Wenn die Oberin nicht so durchsetzungsstark wäre, würde sie es wohl kaum schaffen, in dieser von Männern dominierten Kultur ein so erfolgreiches Werk zu führen.

Überraschende Moschee-Eindrücke
Hier im Batak-Land sind die Christen in der Mehrheit – untypisch für Indonesien, wo der Islam die weitaus häufigste Religion ist. Unsere Besuche in verschiedenen Moscheen zeigen ein offenbar harmonisches, völlig reibungsloses Miteinander der beiden Religionen. Man respektiert sich gegenseitig, so die Botschaft fast überall. Christliche Gemeinden unterstützen ihre muslimischen Nachbarn beim Bau von Moscheen, umgekehrt spenden Muslime für Kirchbauprojekte. Und was ist mit den Anfeindungen gegen Christen, den tätlichen Übergriffen, den Zerstörungen von Kirchen durch radikale Muslime? Einige wenige Fanatiker, sie seien woanders am Werk, nicht hier. Ein besonders aufgeschlossener Imam vertritt die bemerkenswerte Auffassung, der Koran sei keineswegs unantastbar und wörtlich zu nehmen, sondern müsse interpretiert werden. Die äußere Form sieht er als zweitrangig an, die Moschee als Gebäude, das eine Funktion erfüllt.

Doch es gibt auch diese Aussage von einigen unserer christlichen Partner: Die Muslime haben zwei Gesichter – zu uns sprechen sie so, unter sich aber ganz anders. An einer Moschee findet das Gespräch auf den Stufen vor dem Eingang statt. Einige Begegnungen sind von deutlichem Desinteresse geprägt. Und der Umgang mit Frauen spricht in einem Fall durch unübersehbares Ignorieren eine klare Sprache.

3 thoughts on “Der Geldschrank des Herrn Nommensen”

  1. Schön zu sehen, dass die Kirchenleitung die Diakonissenschule Pendidikan Diakones in Balige besucht, zu der der Ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg schon seit den 1950er Jahren partnerschaftliche Beziehungen pflegt: einander begegnen, gemeinsam glauben, füreinander einstehen! Herzlichen Gruß an alle Westfalen in Indonesien und natürlich an Sr. Serepina!! HORAS – Martin Ahlhaus, MÖWe-Regionalpfarrer Südwestfalen

  2. Ich lebe seit knapp einem Jahr auf Nordsumatra und diese Berichte, insbesondere der letzte Absatz dieses Eintrags, zeugen leider auch von einer teilweise einseitigen Sichtweise. Ohne die vorherrschende Diskriminierung gegenüber Christen in Indonesien unter den Tisch kehren zu wollen, erlebe ich hier in meiner (protestantischen) Schule auch viel Intoleranz und Unverständnis gegenüber Andersgläubigen. Klar wissen die meisten, dass gegenseitiger Respekt von Nöten ist. Meine Freunde vertreten gewiss keinen dumpfen Rassismus. Nichtsdestotrotz bleibt immer das große ABER.
    „Der ist nett, aber er ist Muslim.“
    „Man darf das ja öffentlich nicht sagen, aber eigentlich sind Muslime dumm.“
    „Ich mag Javaner nicht und den Islam ebenfalls nicht. Deren Kultur und Glaube ist einfach falsch.“

    Und genau in diese Reihe von Vorurteilen und Ablehnung geprägten Aussagen steht eben auch ein Satz, den Sie zitieren:

    „Die Muslime haben zwei Gesichter – zu uns sprechen sie so, unter sich aber ganz anders.“

    Dieses Statement hier so unkommentiert stehen zu lassen, halte ich für problematisch. Sie leisten damit dieser „Eigentlich …, aber“-Haltung der meisten Christen in Indonesien Vorschub. Genau diese Einstellung behindert meines Erachtens mitunter den interreligiösen Dialog.

    Christen in Indonesien können genauso „zwei Gesichter“ haben, glauben Sie bitte nicht, dass sich das nur auf eine Religion beschränkt.

    „Und der Umgang mit Frauen spricht in einem Fall durch unübersehbares Ignorieren eine klare Sprache.“

    Mein Eindruck nach einem Jahr in Indonesien. Patriarchismus ist nicht vom Glaubensbekenntnis abhängig, sondern in vielen Regionen und den meisten Bereichen des öffentlichen, wie privaten Lebens, Teil indonesischer Alltagskultur (möge man von der matrilinearen Gesellschaftsordnung der Minangkabau zunächst absehen).
    Meine Freundin beschwert sich oft über, teils unterschwellige, mitunter aber auch sehr offensichtliche und unmittelbare Ungleichbehandlung.

    Insbesondere in sehr ländlichen Regionen auf Nordsumatra und vor allem auf Nias (Frau Pfarrerin Hayung besuchte eine Gemeinde der BNKP auf dieser Insel) spürt man die männliche Dominanz sehr deutlich. In erster Linie eben durch bewusstes Ignorieren von Frauen.

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