Nothilfe: Christen ziehen an einem Strang

Montag, 27. August 2018

Von Birgit Worms-Nigmann

Alles begann mit einem Tornado. 1974 verwüstete er große Teile der Stadt Louisville. Tausende wurden obdachlos. Die Pastoren der betroffenen Gemeinden fanden sich rasch zusammen, um Nothilfe zu organisieren – besonders für diejenigen, die sich keine neue Wohnung leisten konnten. Von Anfang an spielten konfessionelle Unterschiede dabei keine Rolle. Ob evangelisch, katholisch oder andere Denominationen: Christen halfen gemeinsam, wo Hilfe nötig war. Dieses ökumenische Prinzip kennzeichnet United Crescent Hill Ministries (UCHM) bis heute. Theologische Unterschiede sind hier nicht von Bedeutung, betont Pfarrer Greg Bain, der schon seit Jahrzehnten mitarbeitet. Nur evangelikale Kirchen seien auf Distanz gegangen, weil in UCHM auch Homosexuelle mitarbeiten.

Mittlerweile ist ein großes Hilfswerk mit zahlreichen Arbeitsfeldern entstanden. Es leistet Hilfe für Notleidende, aber auch advocacy, anwaltschaftliche Arbeit für Benachteiligte.

Beispielsweise Menschen, die ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können. In solchen Fällen schaltet der Lieferant den Strom ab. UCHM hat mit dem Elektrizitätsversorger verhandelt und erreicht, dass die Strompreise nach Einkommen gestaffelt werden. Es gibt Lebensmittelausgaben, es gibt preisgünstiges Essen auf Rädern für Senioren, Feiern für Kinder zum Schulbeginn mit gespendeten Schulranzen als Geschenk, Feste zu Thanksgiving und Weihnachten, wo ebenfalls Kinder beschenkt werden, preiswerte Summercamps und vieles mehr.

Erreicht haben die Hilfsangebote im vergangenen Jahr insgesamt 3.500 Personen.

Und das, kaum zu glauben, mit einem Team von fünf Angestellten, davon drei in Teilzeit – und einer großen Schar Ehrenamtlicher. Partner sind die Stadt Louisville, Versorgungsunternehmen für Strom, Gas, Wasser sowie mehrere Lebensmittelerzeuger und –händler. Und zahlreiche Sponsoren – Fundraising ist ein wesentlicher Arbeitsbereich. Nur zehn Prozent des Gesamtbudgets sind öffentliche Mittel.

Wer ist bedürftig? Es bedarf komplizierter Verfahren, um die – meist geringe – kommunale Unterstützung so aufzustocken, dass man sich der Gerechtigkeit annähern kann. Immer hängt die Hilfe von den vorhandenen Mitteln ab. Und die sind nicht mit Sicherheit zu planen.

Unsere Diskussion dreht sich bald um den Vergleich zwischen den Sozialsystemen in Deutschland und hier. Die USA sind mit dem deutschen Sozialstaat nicht zu vergleichen. Hier verarmen Menschen, weil sie keine oder nur eine unzureichende Krankenversicherung haben und sich teure medizinische Behandlungen nicht leisten können. Doch auch in Deutschland übernehmen private Initiativen soziale Arbeit, die zeigt, dass der Sozialstaat seinen Aufgaben nur unzureichend nachkommt. Beispielhaft sind dafür die Tafeln, die mittlerweile Tag für Tag Zehntausende mit Lebensmitteln versorgen – segensreich, aber auch zwiespältig. Festigt es nicht die Strukturen der Armut?

„Manchmal denke ich“, sagt Mark Howell, „wir sollten mit unserer Arbeit aufhören, damit der Staat das übernimmt. Aber was wäre dann? Die Leute stünden auf der Straße. Das könnten wir nicht verantworten.“