Klettern in der Kirche, Beten in der Kneipe: h3 Metzingen

Der Gottesdienst im „Schlemmerstüble“ heißt „Treffen für Leib und Seele“. Die Holzhütte am Ortsrand von Metzingen ist mit Geweihen, alten Sensen und Holzrechen dekoriert. Nach und nach füllt sich der Raum, es kommen junge Familien mit kleinen Kindern, man umarmt sich zur Begrüßung. „Hilde empfiehlt“ steht auf Zetteln, die auf den Tischen liegen: Hilde empfiehlt heute Schweinegeschnetzeltes mit Spätzle und Salat (8,50) oder Flädlessuppe (3,50). Für das anschließende Mittagessen machen die Gäste einen Strich hinter das gewünschte Gericht und sind gebeten, anschließend das Geld nach Ermessen in ein Körbchen zu legen. Auch für die Getränke, die jetzt schon mal serviert werden.

Das „Schlemmerstüble“ in Metzingen

Das „Schlemmerstüble“ in Metzingen

Pastor Schwenkschuster predigt heute über die Hoffnung. In T-Shirt und löchrigen Jeans steht er in der Mitte, spricht kraftvoll, wirft nur ab und zu einen Blick auf sein Manuskript. „Dinge, die hinter dem überschaubaren Horizont liegen, kann ich nur erahnen“, sagt er. „Wo wir als Gemeinde in fünf Jahren sind – ich weiß es nicht.“ Wie ist Gott? Das zu begreifen, übersteigt seinen Horizont. Aber da ist die Hoffnung. „Die Frage: Wo ist dein Horizont beschränkt? bedeutet: Was schränkt deine Hoffnung ein?“ Risikobereitschaft bedeutet Glaubensmut.

Solchen Glaubensmut hat Bernd Schwenkschuster mit der Gemeindeneugründung vor fünf Jahren bewiesen. Zwei Drittel der Gründungsmitglieder, die er ansprach, hatten vorher keine Beziehung zu Gott. Darunter waren „viele getaufte Atheisten, die es aber cool fanden, etwas Neues anzufangen“. Andere verstanden sich durchaus als Christen, hatten aber auf traditionelle Gemeinde, auf Sonntagsgottesdienst mit Orgel und Posaunenchor keine Lust mehr. Schwenkschuster fragte sie, ob sie bereit wären, ein Jahr lang an einer neuen, anderen Gemeinde mitzuwirken. So kamen elf Engagierte zusammen, die sich mit dem Pastor auf die Suche machten „nach dem, was Gott eigentlich von uns will“.

Ein Ergebnis dieser Suche ist die Kletterhalle h3. Das steht für „Hochklettern – Herunterkommen – Halt finden“. Die Kirche aus dem Jahr 1965 wurde umgebaut. An schrägen Wänden, bis zu neun Meter hoch, sind bunte Griffe festgeschraubt, der Fußboden davor ist weich gepolstert. Gottesdienste im engeren Sinne werden hier fast nicht mehr gefeiert. Pastor Schwenkschuster hatte diese „gesponnene Idee“, wie er selber sagt. „Wir haben den Auftrag, Menschen mit Gott in Berührung zu bringen, erklärt der 39-jährige Vater von vier Kindern. „Viele haben heute keine Ahnung mehr, wie das gehen kann.“ Also überlegte er mit seinem Team: Was gibt es in Metzingen noch nicht? Im vergangenen Jahr kamen 15.000 Gäste, um gegen eine Spende zu klettern oder sich abzuseilen. Wer wenig Geld hat, gibt wenig oder nichts. „Ein Familienvater, der sich den nächsten kommerziellen Kletterpark nicht leisten könnte, hat hier mit seinen Kindern einen super Nachmittag“, erzählt Schwenkschuster. Für ihn ist die das H 3 nach wie vor Gottes Haus. „Wir wachsen nicht wegen der Kletteranlage, sondern weil Menschen merken: Es ist erlaubt, neue Wege zu gehen.“

Nach wenigen Wochen hat die Leitung der methodistischen Kirche das Projekt Kletterhalle genehmigt, die nötigen 160.000 Euro kamen schnell durch Spenden zusammen. Die Gemeinde ist attraktiv

Pastor Bernd Schwenkschuster erzählt von seiner Gemeinde im „h3“.

Pastor Bernd Schwenkschuster erzählt von seiner Gemeinde im „h3“.

für junge Erwachsene, Akademiker, Gutverdiener. Ein klassisches Angebot mit Gruppen und Kreisen gibt es nicht – „das machen andere schon“. Was es gibt, sind Angebote Einzelner: von Radtouren und Höhlenbesuchen über Spieleabende und Backkursen bis Heilfasten. Außerdem: acht sehr aktive Hauskreise, für Pastor Schwenkschuster die Basis des geistlichen Lebens.

Der Theologe ist völlig frei von besorgtem Kirchturmdenken: „Wer woanders als Christ sein Zuhause findet – super! Ob in einer evangelisch-landeskirchlichen oder katholischen oder einer Pfingstgemeinde, ist völlig egal. Entscheidend ist, dass das Reich Gottes gebaut wird.“

Bernd Schwenkschuster verschweigt nicht, dass seine methodistische Kirche in mancher Hinsicht „mit dem Rücken zur Wand steht“. Auch sie ist von Überalterung und Mitgliederschwund betroffen. Die Vorgängergemeinde in Metzingen wurde genau deshalb aufgegeben. Aber er ist überzeugt: „Die besten Tage der Kirche liegen noch vor uns.“

 

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