Von Anke Schröder
Ja, die Frau ist mit der Politik des herrschenden ANC unzufrieden wie viele andere auch. Leere Versprechungen, Klientelwirtschaft, ein aufgeblähter Verwaltungsapparat. Aber für eine andere Partei stimmen? Nein, dann lieber gar nicht wählen. Die Ahnen wären gekränkt, wenn sie einer anderen politische Kraft als dem African National Congress, der die Apartheid besiegt hat, ihre Stimme gäbe. Es wäre ein Verrat am Erbe Mandelas. Das würden ihr die Ahnen nie verzeihen.
Diese kleine Geschichte sagt viel über die politische Situation in Südafrika. Mit dem ANC hat das Land praktisch ein Einparteiensystem. 62,15 Prozent hat er bei der letzten Wahl bekommen. Das sind zwar beinahe vier Prozent weniger als zuvor. Doch trotz aller Unzufriedenheit, das erklärt uns heute in Pretoria der deutsche Botschafter Walter J. Lindner, werden auch weiterhin viele den ANC tragen – komme, was wolle. Denn so lange die Generation noch eine Rolle spielt, die den Kampf gegen die Apartheid mitgemacht hat – also die Bevölkerung ab 40 –, so lange zählen auch Emotionen. Und die sind so stark, dass andere politische Kräfte kaum eine Chance haben.
In diesem Land ist vieles so ganz anders als in anderen afrikanischen Staaten. 600 deutsche Firmen sind hier vertreten, das bedeutet mindestens 100.000 Arbeitsplätze. „Südafrika ist Afrika light“, sagt Botschafter Lindner. Trotz der dramatischen Herausforderungen wie Armut, Aids, fehlender Bildung, Mangel an Energie, an sauberem Wasser und vieler weiterer Probleme gibt es funktionierende Kontrollmechanismen wie eine freie Presse, unabhängige Gerichte und nichtstaatliche Organisationen, die den Finger in manche Wunde legen.
Und diese Wunden sind schmerzhaft. „Ich freue mich, dass Sie hierher kommen“, sagt uns der Botschafter, „weil es viele Leute gibt, die Ihre Unterstützung brauchen könnten.“