Mehr Schwarzhaarige als Grauhaarige

Draußen weht die rote türkische Flagge mit Halbmond und Stern neben
einer gelben mit gekreuzten Hirtenstäben und Bischofshut. Drinnen: Ein
Saal mit Polsterstühlen, Teppiche auf dem Fußboden. An der Wand hängen
die Porträts der bisherigen Amtsinhaber, aber auch das Bild von
Staatsgründer Kemal Atatürk. Wir sind in der Türkei, man merkt es
auch hier in der syrisch-orthodoxen Metropolie.

Der Bischof empfängt uns mit der Ostergruß: Christus ist auferstanden!
Metropolit Filüksinos Yusuf Cetin ist das Oberhaupt der
syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul, Ankara und Izmir. Er trägt ein
leuchtend rotes Ornat und ist ein freundlicher Herr mit grauen Haaren
und grauem Bart. Seine Kirche, zu der hier in Istanbul etwa 15.000
Mitglieder gehören, ist eine der ältesten der Welt. Sie führt sich auf
die im Jahr 37 nach Christus gegründete Gemeinde von Antiochien (heute
Antakya) zurück und bewahrt bis heute die Muttersprache von Jesus, das
Aramäische.

Bischof Cetin berichtet von der Jugendarbeit, einem Schwerpunkt seiner
Kirche. Einmal pro Woche versammelt er die Verantwortlichen zu
Koordinationstreffen, und bei jeder größeren Jugendveranstaltung ist er
persönlich dabei. Er erzählt von sportlichen Aktivitäten, von einem
Kulturfestival mit Theater, Folklore, Musik. Wir freuen uns, dass in
unseren Gottesdiensten mehr Schwarzhaarige als Grauhaarige sind,
erklärt er stolz.

Für seine klein gewordene Kirche ist die junge Generation
überlebenswichtig. Zwar hat sich die Stimmung etwas gewandelt, der
Druck gegen christliche Minderheiten ist nicht mehr so massiv wie noch
vor einigen Jahren. Das merkt man etwa daran, dass vor kurzem bei der
Trauerfeier für den verstorbenen syrisch-orthodoxen Patriarchen Ignatius
Zakka I. Iwas höchste Vertreter des Staates anwesend waren oder
kondolierten. Doch leicht ist die Situation immer noch nicht. Seine
Kirche hat keine Möglichkeit, Priester auszubilden. Christen ist der Weg
in viele staatliche Ämter versperrt.

Doch Bischof Cetin jammert nicht und klagt nicht. Er erzählt von
abendlichen Familienbesuchen, die ihm wichtig sind und die er macht,
wenn es seine Zeit irgendwie erlaubt. Wir Priester dürfen keine
Beamtenmentalität haben, findet er. Wenn der Bischof zu den Familien
kommt, ist das für die syrisch-orthodoxen Christen ein Ereignis, das sie
im Alltag stärkt.

Präses Annette Kurschus berichtet vom Schwerpunktthema Familien
heute, mit dem sich die westfälische Kirche derzeit befasst. Wir
sind dabei, die vielen verschiedenen Formen von Familie nicht nur
Vater, Mutter, Kinder stärker wahrzunehmen, erzählt sie dem Bischof.
Der deutet an, dass der Glaube für ihn auch zu Normen und Regeln führt,
die einzuhalten sind. Präses Kurschus: Wir handeln in der Freiheit des
Evangeliums wie weit kann diese Freiheit gehen? Diese Frage kann
auch zu Konflikten führen, die wir um des Evangeliums willen austragen.
Ein vorsichtiges Gespräch. Die kulturellen Unterschiede sind deutlich
zu spüren, auch wenn sie nicht ausdrücklich benannt werden. Aber, so
Bischof Cetin: Im Glauben an Jesus Christus sind wir trotz aller
Differenzen vereint.