22. Juni 2013
Gestern Nachmittag in Colombo: Vor der Kirche haben sich Hunderte versammelt, die zum Einzug bereit stehen: Fahnenträger für die verschiedenen Bezirke, junge Männer in weißem Hemd und schwarzer Hose, Frauen in festlichen weißen Gewändern.
Die Methodistische Kirche Sri Lanka feiert ihr 200-jähriges Bestehen. Wir kommen dazu, Präses Annette Kurschus nimmt ihren Platz bei Kirchenpräsident Dr. Albert Jebanesan ein, der den Zug beschließt (Bild). Langsam setzt man sich in Bewegung. In der vollbesetzten Kirche ist es eng, wir als Ehrengäste aus Westfalen dürfen sich in die erste Reihe setzen. Ein Gottesdienst in einer fremden Sprache, Singhalesisch. Langsam und voller Inbrunst singt die Gemeinde, es singen Jugend-, Frauen-, Männerchöre. Die Geschichte der Kirche wird in Bild und Ton präsentiert. Man begrüßt uns, auch auf Englisch.
Jesus mit seinen Jüngern bei Sturm im Boot
Annette Kurschus richtet Grüße von der westfälischen Kirche aus. Sie zeigt ein Bild von dem Relief über dem Eingang des Landeskirchenamts in Bielefeld: Jesus mit seinen Jüngern bei Sturm im Boot. Sie spricht von den Stürmen, denen die weltweite Kirche Jesu Christi heute ausgesetzt ist: Ungerechtigkeit, Armut, Umweltzerstörung. Kirche ist nicht Kirche, wenn sie nicht überkonfessionell und weltweit lebt, sagt die Präses. Kirche ist nicht Kirche, wenn sie nicht missionarisch das Evangelium in der Welt bezeugt. Kirche ist nicht Kirche, wenn sie nicht ihre politische, soziale und ökologische Verantwortung wahrnimmt.
Das Jubiläumsjahr ist eröffnet
Schließlich erklärt Präsident Jebanesan das Jubiläumsjahr feierlich für eröffnet. Als wir ins Freie treten, ist es dunkel geworden. Gelbe und blaue Lichterketten sind aufgespannt. Ein Zug von kleinen Kindern, die khakifarbene Uniformen im britischen Kolonialstil tragen, marschiert unter Trommelkang zur Festwiese, wo eine Bühne aufgebaut ist. Fahnen werden gehisst: die Flagge von Sri Lanka und die der Methodistischen Kirche. Wieder werden wir begrüßt. Eine Tanzgruppe tritt auf. Raketen steigen in den nächtlichen Himmel.
Weitere Gäste sitzen in der ersten Reihe: buddhistische Mönche in ihren orangefarbenen Gewändern. Sie bleiben als einzige sitzen, wenn alle anderen aufstehen.
Von der Kraft des Gebets
Pfarrer Duleep Fernando berichtet uns über die Evangelisationsarbeit seiner Kirche. Auslöser war ab 1961 die zwangsweise Übernahme von 175 kircheneigenen Schulen durch den Staat. Hinzu kamen antitamilische Ausschreitungen, die eine regelrechte Flüchtlingswelle verursachten. Allein aus Colombo setzten sich 600 Tamilen, meist Ärzte, Juristen und führende Wirtschaftsleute, ins Ausland ab. Die Kirche drohte auszubluten. Die Verantwortlichen wollten dem etwas entgegensetzen. Man gründete zwei Seminare für Evangelisten, eines in singhalesischer und eines in tamilischer Sprache. Die Evangelisten gehen in ländliche Gebiete, wo es bislang keine Christen gibt. Wie arbeiten sie? Einer von ihnen ist Lalith Fernando. Er erzählt von dem verheerenden Glauben an böse Geister, der auf dem Land ganze Familien zerstört. Krankheiten führt man auf Geister zurück, die irgendwelche Scharlatane auszutreiben versuchen. Dafür lassen sie sich bezahlen. Lalith Fernando geht in Dörfer ohne medizinische Versorgung. Er erzählt den Menschen, dass Jesus stärker ist. Mit der Kraft des Gebets kämpft er gegen das Böse.
Shiromal Nirukshanta weiß von einer Frau zu berichten, die durch aggressive Zauberrituale verletzt worden war. Ihr ganzes Geld hatte sie ausgegeben, um die Wunde am Bauch heilen zu lassen – vergebens. Das Gebet half ihr. Das ganze Dorf ließ sich anschließend taufen.
Was tun, wenn kein Wunder geschieht?
Aber wenn solche Heilungen ausbleiben? „Wir sagen den Leuten: Jesus Christus befreit dich von allen Sünden und führt dich zum ewigen Leben“, erklärt Pfarrer Duleep Fernando: „Das ist das Wichtigste.“ Und er erzählt von einer frisch getauften Familie, wo eine Frau schwer krank war. Lange und intensiv wurde für ihre Heilung gebetet, doch sie starb. Dennoch blieb die Familie beim christlichen Glauben.
Das Evangelium ist kein Köder, um Menschen anzulocken, sondern eine Brücke, über die sie gehen können, sagt Duleep Fernando. Was jeder Mensch am nötigsten braucht, ist die gute Nachricht von Gottes Liebe. Dann erst kommt alles andere. „Wir geben nicht auf“, betont Pfarrer Fernando.
Die Hingabe und Einsatzfreude ist den beiden jungen Männern abzuspüren. Es braucht Mut, in buddhistische Gebiete zu gehen und von Jesus Christus zu erzählen. Einmal wurde Shiromal von buddhistischen Mönchen angegriffen, die mit ihren Regenschirmen auf ihn einschlugen. Nur durch das Eingreifen eines zufällig vorbeikommenden – übrigens katholischen – Polizisten konnte Schlimmeres verhindert werden.
Es bleiben Fragen offen
Doch es bleiben Fragezeichen. Christa Kronshage fragt, warum die Evangelisten den Menschen nicht medizinische Hilfe im Namen Jesu bringen, sondern auf Heilungsgebete setzen. Sind Heilungsgebete etwa eine Alternative zu medizinischer Hilfe? Ist nicht beides nötig? Halten wir es für möglich, dass Menschen gegen alle medizinische Erkenntnis von Krankheit geheilt werden können? Trauen wir Gott zu, das zu bewirken, was wir uns nicht erklären können? Solche
Glaubensgewissheit können wir in Deutschland vielleicht lernen. Kritisch wird es, wenn das Gebet als Demonstration benutzt wird, um die Kraft Gottes zu zeigen und so Menschen für den Glauben zu gewinnen. Das wäre ein Köder, keine Brücke.