Buddhismus – viele Facetten


21.6.13

Gespräche über die Situation in Sri Lanka. Was wir vorher gehört und gelesen haben, wird bestätigt oder verschärft.

Ein Familienclan an der Macht
Dieses Land wird von einem Familienclan beherrscht mit dem Präsidenten an der Spitze. Dessen Machtausbau geht über alles. Präsident Mahinda Rajapaksa hat den Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen nach fast 30 Jahren mit brutalem Militäreinsatz, auch gegen die tamilische Zivilbevölkerung, beendet. Daraufhin konnte er bei der singhalesischen Mehrheit von dem Image profitieren, er habe das Land „befriedet“. Als er dann im Kriegsgebiet die Infrastruktur wiederaufbauen ließ, für reparierte Straßen und öffentliche Einrichtungen sorgte, wuchs seine Popularität erneut. Doch die Aussöhnung zwischen den beiden Völkern steht nicht auf der Tagesordnung. „Man verhält sich so, als hätte man ein Volk besiegt und nicht Terroristen“, sagt uns ein Kenner des Landes. Im Norden, wo die Tamilen in der Mehrheit sind, kann von elementaren Bürgerrechten keine Rede sein. Menschen werden eingeschüchtert, Kritiker verschwinden, Spitzel der Geheimpolizei sind allgegenwärtig, die Verwaltung ist in der Hand des Militärs.

Blumen, Kerzen, Räucherstäbchen
Besuch im Buddha-Tempel Bellanwila, dem ältesten und wichtigsten des Landes. Riesengroß sind die bunt bemalten Figuren, sitzend, liegend, ein Lächeln auf dem Gesicht. Betende mit Kerzen in der Hand stehen davor. Frauen, Männer, Kinder. Gleich nebenan ein Hindu-Heiligtum, ein mächtiger Baum, umgeben von Schreinen für die Götter Kataragama, Vishnu und die Göttin Pattini. Räucherstäbchen glimmen, Opfergaben liegen auf einer Steinbank, Blumen, Getränke in Flaschen oder Plastikbechern, Kekse und anderes Gebäck. Frauen, die mit beiden Händen einen Krug tragen, umschreiten den heiligen Baum, die Augen halb geschlossen, den Kopf zur Seite geneigt, umgeben von einer scharf-süß duftenden Rauchwolke.

Buddhismus in der Krise
Im Kontrast dazu steht, was wir an anderer Stelle erfahren: Der Buddhismus ist in einer Krise. Die Bindungskraft der Tradition lässt nach, vor allem die jüngere Generation lebt den Glauben nicht mehr so selbstverständlich wie früher. Das macht unsicher. Es führt zu Abgrenzung und Aggression. Gewaltbereite Kräfte gewinnen die Oberhand, ein militanter Buddhismus wird immer stärker. Das führt zu einer feindseligen Haltung gegen Christen, aber auch gegen andere Religionen. Ein Beispiel: Buddhistische Scharfmacher haben zum Boykott muslimischer Geschäfte aufgerufen.

Wie ein buddhistischer Mönch die Dinge sieht
Aus dem Mund von Professor Ven Bellanwila Wimalaratana Thera (Bild) klingt das alles etwas anders. Der buddhistische Mönch ist Kanzler der Sri Jayawardanapura-Universität und betont im Gespräch mit uns immer wieder die Toleranz seines Glaubens. Er spricht von guter Zusammenarbeit zwischen Christen und Buddhisten, von gemeinsamen Herausforderungen wie dem Kampf gegen die Armut. Hier könne seine Religion von den Christen lernen, denn Buddhisten würden ihren Glauben eher individuell leben – sozialdiakonische Arbeit habe in seiner Religion keine Tradition. Und der Bürgerkrieg? Der habe sich nicht rassistisch gegen die Tamilen gerichtet, sondern gegen Terroristen.
Am Sonntag werden wir nach Norden reisen, in das tamilische Gebiet, wo der Krieg am schlimmsten gewütet hat.