Zusammenleben der Religionen – Vision und Wirklichkeit

18.6.13

Auf dem Podium sind sich alle einig: Die verschiedenen Religionen leben gut zusammen, wenn sie sich gegenseitig achten und respektieren. Fast könnte man vergessen, dass die Wirklichkeit in Indonesien, aber auch in Deutschland oft genug anders aussieht.

Eine getanzte Vision
Die Theologische Hochschule der Toba-Batak-Kirche in Siantar hatte zu einer Tagung über das interreligiöse Miteinander eingeladen. Indonesische Christen, ein muslimischer Theologe und vier Gäste aus Westfalen sitzen auf der Bühne, etwa hundert Menschen füllen den Saal. Zu Beginn tanzen zehn junge Leute ihre Vision vom friedlichen Zusammenleben. In Zweiergruppen treten sie nacheinander auf; Kostüme und Musik zeigen: Jede Gruppe verkörpert eine bestimmte Religion. Hinduismus, Buddhismus, animistische Stammesreligionen. Bunt sind die Gewänder, exotisch die Musik, Räucherwerk verbreitet süßlichen Geruch. Dann kommen zwei in weißen Kleidern und mit umgehängten Kreuzen. Schließlich, zu orientalischer Musik, zwei junge Frauen mit Kopftuch. Zunächst agieren alle beziehungslos nebeneinander. Doch nun entwickelt sich ein furioser gemeinsamer Tanz, Farben, Menschen wirbeln durcheinander. Das Ganze kommt in einem abschließenden Höhepunkt plötzlich zum Stillstand, indem grüne, gelbe, braune und weiße Stoffbahnen sternförmig aufgespannt werden. Darauf ist zu lesen: „Unity in Diversity“, Einheit in Vielfalt (Bild).
Zum Ende der Veranstaltung erinnert Annette Kurschus an die Realität jenseits der schönen Vision. Niemand, keine Religion, hat die Wahrheit, sagt die Präses, sondern die Wahrheit hat uns: Bei Gott allein ist die Wahrheit.

Der Staat muss alle Religionen gleichermaßen schützen
In Indonesien kommt es immer vor, dass Islamisten Kirchen zerstören. In Sri Lanka hat erst gestern eine bewaffnete Bande die Besucher eines evangelischen Gottesdienstes mit Stöcken und Messern aus ihrer Kirche vertrieben und einige schwer verletzt. Und auch in Deutschland gibt es Fanatiker, gibt es Spannungen.
Einig war man sich weitgehend darüber, dass der Staat alle Religionen gleichermaßen schützen ihnen die gleichen Chancen geben muss.
Voraussetzung dafür: Der Staat ist weltanschaulich neutral, ohne jedoch die Religion aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben auszublenden. Er braucht die nötige Stärke, um das Menschenrecht auf Religionsfreiheit auch wirklich durchzusetzen und so ein friedliches Miteinander zu gewährleisten. Gleichzeitig haben sich die Religionen an das geltende Recht zu halten. Zum Wesen des Christentums gehört es, andere in ihrem Anderssein zu akzeptieren. Gott hat auch die Unterschiede geschaffen, so die ausdrückliche Überzeugung des Islam. Wenn alle ihre Religion ernsthaft leben, ist Frieden auf der Welt.

Eine getanzte Vision. Foto: EKvW

Die Bedeutung des Symbolischen
Wie wichtig war diese Veranstaltung? Mein Eindruck: Von ebenso großer Bedeutung wie die Inhalte war die Form, das Symbolische, das Ereignis an sich: ein feierlicher Rahmen, Kultur, internationale Gäste, Kirchenvertreter auf höchster Ebene. Zum Abschluss erhielten alle aktiv Mitwirkenden aus der Hand des Ephorus eine Erinnerungsplakette aus Messing auf einem Täfelchen aus edlem Holz, verpackt in einer Kassette, die mit blauem Samt bezogen und innen mit Seide gefüttert ist. Das unterstreicht: Es war für das Theologische Seminar und damit für die ganze Kirche ein wichtiges Ereignis. Und damit auch ein Zeichen für die Gesellschaft dieses Landes.