4. bis 18. August 2015: Die Kirchenleitung in Namibia und Südafrika

Nach Namibia und Südafrika reiste eine Kirchenleitungsdelegation der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW). Vom 4. bis 18. August besuchte die achtköpfige Gruppe Partnerschaftsprojekte und beiret sich mit leitenden Vertretern der evangelischen Kirchen im südlichen Afrika.

In Namibia war das bedingungslose Grundeinkommen ein wichtiges Thema. Es wird seit Jahren als erfolgreiches Modell in einem Dorf gezahlt. Der frühere lutherische Bischof Zepania Kameeta, der dieses Projekt maßgeblich vorangetrieben hatte, ist heute namibischer Minister für Armutsbekämpfung. Die westfälische Landeskirche ist partnerschaftlich verbunden mit der Evangelisch-lutherischen Kirche in der Republik Namibia (ELCRN). Ihr Bischof Ernst Gamxamub hat lange in Deutschland als Pastor gearbeitet.

In Südafrika besuchten die Vertreter der EKvW unter anderem eine ökologische Mustersiedlung des Instituts für Nachhaltigkeit der renommierten Universität Stellenbosch. In der Bergbaustadt Witbank ging es um die Folgen des Platinabbaus für Umwelt und Gesundheit. Hier engagiert sich eine kirchliche Initiative für die Betroffenen.

Ein wichtiges Thema der Reise war der Kampf gegen Aids. Die Krankheit hat in Namibia und Südafrika immer noch gewaltige Ausmaße. Dagegen arbeitet das Programm „Kirche und Wirtschaft gemeinsam gegen HIV/Aids“, das von der westfälischen Landeskirche angestoßen wurde. In der südafrikanischen Provinz Mpumalanga informierten sich die Besucher aus Westfalen auch über Projekte, die auch von der Landesregierung NRW gefördert werden.

Die Delegation bestand aus den Kirchenleitungsmitgliedern Dr. Ulrich Möller, Christa Kronshage, Dr. Manfred Scholle, Anke Schröder und Petra Wallmann sowie Dr. Jan-Dirk Döhling (Referent der Präses), Pressesprecher Andreas Duderstedt und Ute Hedrich (Pfarrerin im Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe), Vorbereitung und Begleitung der Reise)

Programm und Reiseroute der Reise nach Namibia und Südafrika

Die Reiseziele im Überblick

NAMIBIA

Dienstag, 4. August 2015

Flug Frankfurt – Windhoek

Mittwoch, 5. August 2015: Windhoek

  • Begrüßung durch Bischof Ernst Gamxamub und andere leitende Vertreter der Evangelical Lutheran Church in the Republic of Namibia (ELCRN)
  • Besuch in der deutschen Botschaft
  • Abend mit Vertretern der drei lutherischen Kirchen in Namibia

Donnerstag, 6. August 2015: Windhoek

  • Besuch von drei Kirchengemeinden der ELCRN mit Projekten des Solidaritätsfonds der Partnerschaftsarbeit
  • Treffen mit Politikern zu Fragen über das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, u.a. mit Altbischof Dr. Zephanja Kameeta, Minister für Armutsbekämpfung
  • Öffentliche Diskussion über den Genozid an Hereros und Namas während der deutschen Kolonialzeit – Verhältnis Staat – Kirche, soziale Fragen, Kampf gegen Armut/Basic Income Grant (BIG): bedingungsloses Grundeinkommen

Freitag, 7. / Samstag, 8. August 2015: Karibib/Usakos/Walfish Bay – Otjiwarongo/Waterberg – Otijivero/Dordabis/Mariental

Besuch von Partnerschaftsprojekten in drei Gruppen:

  1. Kirchenkreis Usakos (Partnerschaft Dortmund), Themen u.a.: Freiwilligenarbeit, Bergbau
  2. Kirchenkreis Otjiwarongo (Partnerschaft Tecklenburg), Themen u.a.: Kolonialgeschichte, Kampf gegen Aids, ökologisch und sozial verträglicher Tourismus
  3. Otjivero/Dordabis (Partnerschaft Unna), Themen u.a.: BIG, Landverteilung, Landprobleme

Sonntag, 9. August 2015: Windhoek – Kapstadt

  • Besuch mit Gastpredigten in sieben verschiedenen Gottesdiensten
  • Weiterreise nach Kapstadt/Stellenbosch

 SÜDAFRIKA

Montag, 10. August 2015: Stellenbosch

  • Universität Stellenbosch: Sustainability Institute (Institut für Nachhaltigkeit), ökologische Modellsiedlung Enkanini
  • Abend mit Wissenschaftlern und Kirchenvertretern
  • Konzert: Libertas-Chor Stellenbosch

Dienstag, 11. August 2015: Kapstadt – Durban

  • Kapstadt: Ehemalige Gefängnisinsel Robben Island (dort war Nelson Mandela inhaftiert)
  • Weiterreise nach Durban
  • Treffen mit dem Vorstand der Stiftung CHABAHIVA (Kirche und Wirtschaft gemeinsam gegen Aids)

Mittwoch, 12./Donnerstag, 13. August 2015: St. Lucia/Commondale

  • Weiterreise nach St. Lucia/Commondale
  • Besuch von Aids-Projekten für Landarbeiter, Austausch mit Akteuren und Betroffenen

Freitag, 14. August 2015: Commondale – Witbank – Rustenburg

  • Besuch von Aids-Projekten, mobile Krankenstation
  • Witbank: Treffen mit Bench Mark Foundation Bergbau: Kohleförderung – soziale und ökologische Fragen

Samstag, 15. August 2015: Rustenburg – Johannesburg

  • Besuch des Tapologo-Zentrums der kirchlichen Stiftung zur Bekämpfung von HIV/Aids, Gespräch mit Gesundheits-/Sozialarbeitern (Health Care Workers) zu aktuellen Problemen des Platinabbaus
  • Weiterreise nach Johannesburg

Sonntag, 16. August 2015: Johannesburg

  • Besuch verschiedener Gottesdienste
  • Mittagessen mit Vertretern evangelischer Kirchen

Montag, 17. August 2015: Pretoria

  • Besuch in der deutschen Botschaft
  • Abflug nach Frankfurt

Dienstag, 18. August 2015

Landung in Frankfurt

Ein warmherziger Seelsorger

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Bischof Ernst Gamxamub

Es war die Liebe zu Gottes Wort, die er schon als Kind spürte. Die Geschichten, die er aus der Kinderbibel erfuhr, faszinierten und berührten ihn zutiefst. Bis heute ist das so. Das Bedürfnis diese Begeisterung auch anderen Menschen zu vermitteln, wuchs und reifte in ihm. Ernst Gamxamub, 1956 in Windhoek geboren, studierte Theologie und arbeitete dann als Pastor in verschiedenen Gemeinden der Evangelisch-lutherischen Kirche in der Republik Namibia.

1994 kam ein großer Einschnitt: Mit seiner Frau Ursula und den beiden Töchtern Faye und Daisy, damals neun und fünf Jahre alt, reiste der junge Theologe nach Deutschland. Drei Jahre war er Gemeindepastor im hessischen Korbach.

Nach der Rückkehr übernahm er verschiedene Ämter in seiner Kirche, bis ihn die Synode 2004 zum Vizebischof wählte. 2014 schließlich wurde Ernst Gamxamub Bischof, nachdem Dr. Zephania Kameeta in den Ruhestand ging.

Dieser war nicht nur als Bischof eine prägende Persönlichkeit, sondern hatte als früherer Kämpfer gegen die Apartheid auch als Politiker hohes Ansehen erworben. Der Nachfolger weiß: „Seine Spuren sind für meine Füße zu groß, seine Schuhe erst recht.“ Ernst Gamxamub ist ein bedächtiger, ruhiger Mann, ein guter Zuhörer. Das einfühlsame Eingehen auf das Gegenüber im persönlichen Gespräch ist seine Stärke – ein warmherziger Seelsorger, der aufmerksam auf andere zugeht. Und ein fürsorglicher Gastgeber.

Besuche in den Gemeinden sind ihm wichtig. Seine Aufgabe sieht er hauptsächlich nach innen gerichtet: „Ich möchte in unserer Kirche geistliche Themen auf die Tagesordnung setzen. Wenn wir uns damit beschäftigen, wird das unserer Einheit als geistliche Gemeinschaft dienen und uns stärken für den Dienst, zu dem wir berufen sind.“ Als nächste große Herausforderung sieht er die Generalversammlung des Lutherischen Weltbundes in Namibia im Jahr des Reformationsjubiläums 2017. Es gibt drei lutherische Kirchen in seinem Land – gemeinsam gute Gastgeber sein, das ist ihm ein hohes Ziel.

Seit Jahren ist seine Kirche mit Deutschland, mit Westfalen partnerschaftlich verbunden. Was bedeutet dieses enge Verhältnis für ihn als afrikanischen Kirchenführer? Gamxamub weiß, dass die Geschichte belastend ist: Die Missionare aus Deutschland waren eng mit dem Überlegenheitsanspruch der weißen Kolonialherren verflochten. Aber es gilt auch: „Der Einsatz vieler Missionare hat uns darin bestärkt, als Afrikaner selbstbewusst zu sein. Die Kraft des Evangeliums hat den Gegensatz von oben und unten überwunden.“ Heute, sagt der Bischof, „haben wir Partnerkirchen in aller Welt – das europäische Überlegenheitsdenken ist längst Geschichte. Und es sind auch politische Partner, die im Kampf um die Unabhängigkeit an unserer Seite standen.“ Einer dieser Partner ist die Evangelische Kirche von Westfalen.

 

 

 

Strukturwandel in Arandis

Der Bürgermeister ist nicht da. Nach einiger Wartezeit empfängt uns Manfred Murandi, der persönliche Assistent des Stadtoberhauptes, in einem gediegenen Saal im Rathaus der kleinen Stadt Arandis. Herr Murandi, ein junger Mann im quietschgrünen T-Shirt, sitzt in einem der schweren Ledersessel und erklärt uns die Geschichte seiner Stadt.

Arandis ist eine Gründung der 1960-er Jahre. Damals begann die englische Firma Rössing die Uranvorkommen in der Nähe auszubeuten. Die Bergleute, die oft von weither kamen, brauchten Quartiere. Eine Bergarbeitersiedlung entstand. Es waren Schlafplätze für die Arbeitskräfte, die weit weg von ihren Familien hier Geld verdienten.

Dann kam das Jahr 1990. Namibia wurde unabhängig, der Rössing-Konzern zog seine Investitionen massiv zurück und entließ 60 Prozent der Arbeiter. Die Bevölkerung schrumpfte von 4.000 auf 1.000 Einwohner, die Stadt drohte eine Geisterstadt zu werden. Der Staat musste die Verantwortung für die gesamte Infrastruktur übernehmen, die vorher in Händen des Konzerns gelegen hatte. Dafür fehlte jedoch das nötige Geld, weil es keine Steuereinnahmen gab. Die Zeiten waren unsicher, niemand wusste, wie es weitergehen würde. Viele Arbeiter zogen in ihre Heimat zurück. Plötzlich standen in Arandis fast 2.000 Häuser leer. Vandalismus und Gewalt kamen auf.

Mit diesen Problemen hat die kleine Stadt immer noch zu kämpfen. Doch die Verantwortlichen im Rathaus sind fest entschlossen, den Strukturwandel anzugehen. „Durch die Gnade des Allmächtigen konnten wir diesen Weg bisher erfolgreich beschreiten“, sagt Manfred Murandi. Und man merkt, dass er und seine Mitstreiter nicht passiv auf Gottes Gnade warten. Sie werben um Investoren und sind dabei erfolgreich. Noch immer arbeiten in dem Städtchen mit inzwischen 8.000 Einwohnern 40 Prozent der Erwerbstätigen im Uranbergbau. Aber: „Wenn die Mine morgen schließen würde – Arandis würde trotzdem überleben“, sagt er. Das vielversprechendste Zukunftsprojekt ist die Sonnenenergie. „Wir haben hier 367 Sonnentage im Jahr“, erklärt Murandi, ohne die Miene zu verziehen. Und er genießt die Überraschung und Heiterkeit, die seine Übertreibung bei uns auslöst. Ein großes Fotovoltaik-Kraftwerk ist geplant, Investoren (aus Schweden und aus Finnland) sind bereits gefunden, die Förderanträge beim Energieministerium gestellt, die Fläche ausgewiesen – es könnte bald losgehen, wenn vom Ministerium Geld und grünes Licht kommt. Dabei will die Stadt das Feld nicht den ausländischen Investoren überlassen, sondern selbst die Fäden in der Hand haben, Anteile halten. „We want to be part of the project from the beginning to the end“, unterstreicht Murandi.

Gewiss: Soziale Probleme gibt es in der kleinen Stadt nach wie vor jede Menge. Die meisten Jugendlichen sind arbeitslos, wie auch anderswo im Land. Gemeinsam mit den Kirchen versucht die Stadt mit Sozialprogrammen dagegen anzugehen. Auf der Rückseite des quietschgrünen T-Shirts von Manfred Murandi steht: „Arandis, the Gateway to Industrial Excellence 2015“.