Die Sonne scheint über Enkanini

Von Anke Schröder

Die Universitätsstadt Stellenbosch ist umgeben von gewaltigen Bergen und sanften Hügeln. Das alte Stadtzentrum ist malerisch, gepflegte niederländische Häuser zeugen von den früheren Kolonialherren. Auf einem der Hügel etwas außerhalb wohnen die Armen. Der Stadtteil Enkanini mit seinen Hütten zieht sich weit über den Hang, die Wege sind nicht befestigt, Wasserleitungen gibt es nicht. Doch auf sehr vielen der ärmlichen Behausungen sehen wir Sonnenkollektoren. Es sind über tausend, wie wir später erfahren –

Das ist dem Institut für Nachhaltigkeit der Universität zu verdanken. Professor Mark Swilling empfängt uns in Enkanini. Er berichtet uns von der Wohnungsbaupolitik der ersten südafrikanischen Regierung nach dem Ende der Apartheid 1994. Das Ziel hieß: Wohnungsbau – die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung lebte unter erbärmlichen Bedingungen. Das sollte sich ändern. Also legte der Staat ein gewaltiges Bauprogramm auf; in zehn Jahren wurden rund eine Million Häuser gebaut. Allerdings überwiegend dort, wo der Baugrund billig war. Und das bedeutete: außerhalb der Zentren, weit weg von Arbeitsplätzen und Infrastruktur. Wer in die neuen Wohnungen zog, war wieder ohne Perspektive. Verständlich, dass viele in die Nähe der Städte drängten. So entstand auch der Slum Enkanini.

2002 erkannte die Regierung den Fehler und steuerte um. Das Ziel hieß jetzt: Die Lebensverhältnisse in den vorhandenen Quartieren zu verbessern. Das ist nicht so einfach. Den Ankündigungen folgen bis jetzt keine Taten, sagt Mark Swilling. Die Leute warten. Jahrelang. Warten macht depressiv oder aggressiv. Hier setzt das Institut für Nachhaltigkeit ein. „Wir betreiben transdisziplinäre Forschung“, so der Professor, dessen ursprüngliche Fächer Soziologie, Politologie und Geschichte sind. Transdisziplinär bedeutet mehr als interdisziplinär. Zum Zusammenwirken verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen kommen gesellschaftliche Akteure wie Politik oder öffentliche Verwaltung. Für das Armenviertel Enkanini heißt das: Die Bewohner werden zunächst in Solarenergietechnik und anderem ökologischem Know-how geschult und können dann für ihre Hütten Fotovoltaik-Elemente mieten. Der Mangel an elektrischer Energie ist eines der größten Alltagsprobleme. Für den Solarstrom bezahlen sie. Swilling: „Bezahlen mussten sie ihre Energie auch früher: sei es das Kerosin zum Kochen oder die Einrichtung illegaler Stromleitungen, die das Netz anzapften.“ Die Isolierung der Gebäude ist ein weiteres nachhaltiges Element – besonders wichtig angesichts der heißen Tage und kalten Nächte. Schließlich: Biogas-Toiletten. Aus Fäkalien wird Gas zum Kochen gewonnen.

Dann besuchen wir das Institut selbst. Wo 50 junge Leute ihr Masterstudium in Sustainability absolvieren, ist das Nachhaltigkeitsprinzip für eine andere Bevölkerungsschicht Wirklichkeit geworden. 40 Wohnhäuser stehen hier, die alle nach ökologischen Prinzipien gebaut sind: Aus luftgebrannten Lehmziegeln, aus Holz, aus Recycling-Steinen. Alle werden mit Sonnenenergie versorgt, elektrische Heizungen sind nicht erlaubt. Das Ganze verwaltet eine Hausbesitzergesellschaft, die bei jedem Neubau prüft, ob die Bedingungen erfüllt sind.

Mark Swilling hat das Institut 1999 ins Leben gerufen. Es gehört zwar zur Universität, ist aber als gemeinnützige Gesellschaft selbständig. Swilling ist ein Visionär, der in der Aufbauphase oft nicht genau wusste, wie es weiterging. Es ging, Schritt für Schritt, immer weiter.