Ein Dorf verändert sein Gesicht

Von Christa Kronshage

Wenn die Leute regelmäßig Geld bekommen, einfach so, ohne Gegenleistung, dann werden sie faul und bequem. Sie werden das Geld verplempern, womöglich versaufen.
Das waren und sind bis heute in Namibia Einwände gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, englisch Basic Income Grant (BIG). Dass solche Befürchtungen unberechtigt sind, beweisen die 3.000 Einwohner von Otjivero. Was wir dort gesehen haben, zeigt: Ein bedingungsloses Grundeinkommen weckt Eigeninitiative und führt zu besseren Lebensbedingungen. Seit 2008 gibt es dort jeden Monat einen festen Betrag pro Person, derzeit umgerechnet rund acht Euro.

Frieda Nembwaya, Mutter von neun Kindern, hat mit diesem Geld eine Bäckerei aufgebaut. Die Anfänge waren bescheiden. Zunächst baute sie sich einen kleinen Ofen aus gebranntem Ton im Freien, der bald nicht mehr ausreichte. Die Jungunternehmerin konnte schließlich einen Holzofen anschaffen. Er hat inzwischen einem Gasofen Platz gemacht, der aber erneut zu klein geworden ist.
Der Laden floriert. “Ich kann gar nicht so viel Brot backen wie meine Kunden kaufen wollen”, sagt sie. Ihr Lebensunterhalt ist gesichert, auch das Schulgeld für ihre Kinder.

BIG hat uns unsere Würde wiedergegeben, hört man überall, wenn man sich mit den Menschen in Otjivero unterhält. Vorher fehlte Perspektive, fehlte Hoffnung. „Manche legten sich morgens gleich wieder ins Bett. Es gab ja nichts zu tun“, berichtet Stefan Eigowab, der sich im Kirchenvorstand und auch im lokalen BIG-Komitee engagiert. Als Lehrer im Ruhestand bezieht er Pension und darum kein Geld aus dem Basic Income Grant. „Seit BIG ist die Solidarität in unserer Gemeinde gewachsen. Das Schulgeld kann bezahlt werden, Die Kriminalität ist zurückgegangen. Wir helfen uns gegenseitig.”

Die Evangelisch-lutherische Kirche in der Republik Namibia (ELCRN) hat das Projekt 2008 auf den Weg gebracht. Ihr damaliger Bischof Dr. Zephania Kameeta ist heute Minister für Armutsbekämpfung. Er arbeitet jetzt daran, dieses Modell für das ganze Land zu verwirklichen. Das ist nicht einfach, die Gegner sind einlussreich. Besonders Großverdiener, von deren Steuer das Grundeinkommen wohl finanziert werden müsste, wehren sich dagegen. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in Namibia besonders weit offen.
Doch Zephania Kameeta ist geduldig, klug und beharrlich. Sein Widerstand gegen die Apartheid brachte ihn einst ins Gefängnis. Damals hat er einen langen Atem bewiesen. Er wird ihn jetzt brauchen.

1 thought on “Ein Dorf verändert sein Gesicht”

  1. Liebe Freunde,
    mit Freude lese ich jeden Tag den Blogg. Viele Erinnerungen an meine Namibiareise werden wache, wenn ich die schönen Bilder sehe und die Reiseberichte lese. Namibia hat mich damals tief beeindruckt und das Konzept des BIG ganz besonders. Es zeigt, dass es gar nicht so aufwändig ist Spielräume für Kreativität, Selbstbestimmung un ein geordnetes Leben zu entwickeln.
    Ich werde Eure Reiseberichte mit Freude weiterlesen. Nächsten Dienstag startet meine kleine Reise in die Reha, das ist eine Belohnung für harte Zeiten auf die ich mich freue.
    Ich grüße Euch ganz herzlich, bleibt behütet und freue mich, wenn wir uns gesund und voller neuer Eindrücke wiedersehen.
    Eure Anne Raabeenschlag

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