Versöhungsarbeit und „Elite-Uni“

22.2.2014
Von Meike Friedrich


Das Pole Institut
Der Tag beginnt mit einem Besuch beim Pole-Institut. Es handelt sich um eine Netzwerkorganisation mit Mitgliedern aus Ruanda, Kongo und Burundi. Ein sehr kluger und beeindruckender Mann, der baptistische Kirchenpräsident Dr. Kakule Molo, ist Gründer und treibende Kraft des Instituts.
Ziel ist der Ausbau einer Friedensarbeit, das Moderieren von Konfliktsituationen (auf deutsch: „Runder Tisch“), das Erheben von Recherche-Ergebnissen, die immer von allen Partnern gemeinsam zusammengetragen werden.

Die Organisation ist inzwischen so anerkannt, dass sie sogar von der Regierung engagiert wird. Ein typisches Beispiel ihrer Arbeit ist etwa das reiche Ölvorkommen, das unter der Grenze zwischen Kongo und Ruanda verläuft. Beide Länder erheben Anspruch. Das Öl liegt zudem unter dem ältesten Nationalpark – hier erhebt sich Widerstand gegen die geplante Förderung. Auch Menschen in den umliegenden Dörfern wären betroffen und werden in den Moderationsprozess eingebunden.
Ein weiterer wichtiger Bereich der Arbeit betrifft die Würde der Frau. Frauen sind die tragenden Säulen der Gesellschaft im Kongo. Selbst unter widrigsten Umständen versuchen sie noch, Waren zu verkaufen, die Familie zu versorgen, am Gemeinwohl zu arbeiten. Viele Frauen werden von ihren Männern verlassen, die ihr Heil weit entfernt in anderen Städten suchen. Diese Frauen sind nahezu rechtlos und benötigen dringend Zugang zu Bildung und fairen Arbeitsbedingungen. Die Verfassung von Kongo sieht die absolute Gleichberechtigung der Frau vor. In der Realität ist davon nichts zu spüren.

Ich habe mir erlaubt, in der von Männern dominierten Gesprächsrunde meine Frage wie folgt zu formulieren: „Wie sieht die Situation von Frauen in Ihrem Land aus? Welche Herausforderungen müssen bewältigt werden? Und würde eine Frau meine Frage anders beantworten als Sie? – Immerhin: der Präsident hat die versteckte Anspielung verstanden und der einzigen Frau das Wort erteilt. Sie ist die Leiterin der Frauenarbeit und bemüht sich darum, Frauen weniger angreifbar zu machen. Ihre Äußerung lautete: „Frauen sind leicht zu manipulieren. Wir fördern ihre Kompetenzen und ihre Bildung. Wir stärken sie darin, ihren eigenen Wert für die Gesellschaft wahrzunehmen und sich weniger auf männliche Überzeugungen zu verlassen.“

Université Libre des Pays des Grands Lacs
Danach ging es weiter zur theologischen Hochschule (ULPGL). Auf dem Weg dahin ruckelten wir auf einer Straße dahin, die uns an der staatlichen Uni vorbeiführte: es handelt sich um ein dreigeschossiges Gebäude, das ein einziges Betongerippe ist. Keine Außenwände, blanker Beton, Räume ohne Fenster und nahezu ohne Mobiliar – wenn nicht ein Schild obendrauf gewesen wäre und mir meine Begleiterin versichert hätte, dass es sich um die Uni handele, hätte ich hier eine der zahllosen Ruinen vermutet.

Ganz anders dagegen der theologische Campus. Er liegt inmitten eines wohlsituierten Viertels mit teuren Neubauten. Straßen existieren auch hier nicht – am Wegesrand wird Mais angepflanzt, Metall bearbeitet, Telefonkarten verkauft. Durch ein schweres Tor gelangt man auf den Campus. Hier grünt und blüht alles. Die Fakultät wurde in den vergangenen Jahren Haus für Haus ausgebaut. Auf ein und demselben Gelände befindet sich auch eine Grundschule und eine weiterführende Schule. Für weibliche Studenten gibt es eine Kinderkrippe, in der die Kinder versorgt werden. Einige Studenten, der Lehrkörper und der Rektor wohnen ebenfalls auf dem Gelände. Es handelt sich offensichtlich um eine Eliteeinrichtung. Die Studiengebühren überschreiten das Jahreseinkommen der meisten Menschen bei weitem. Wer hier studiert oder zur Schule geht, gehört einer Elite an, die entweder über Geld verfügt oder über gute Beziehungen und damit Zugang zu Stipendien. Die Uni versteht sich als ein Projekt für die Länder an dem großen (Kivu-)See (Kongo, Ruanda, Burundi und Uganda). Da mutet es merkwürdig an, dass nur ca. 100 Wohnplätze für Studenten der Nachbarländer bereitgehalten werden.

Die Anlage ist insgesamt sehr gepflegt und beeindruckend. Auf einem Schulhof ist eine Statue errichtet: eine nackte Frau aus weißem Stein liegt sterbend an ein großes Lamm gelehnt. Vier schwarze Stiefel treten auf ihre Brüste, den Unterleib, ins Gesicht und auf ein Bein. Diese Frau wird hier mit dem leidenden Jesus identifiziert. Die Statue lehrt, dass die Gewalt des Krieges zu einem besonders großen und schweren Teil durch Frauen ertragen werden musste.
So beeindruckend der Campus war, so spröde gestaltete sich die Präsentation der Arbeit durch die Professoren. Bemerkenswert war einzig die Darstellung der Dekanin: Pfarrer lernen hier, wie die Realität der Menschen aussieht, zu denen sie geschickt werden. Sie haben als Studienfächer das, was wir als Milieuforschung kennen, sie erhalten einen Crashkurs in Sachen Wirtschaftsbedingungen und Jura. Eines der wichtigsten Fächer ist die Lehre vom Frieden, des Konfliktmanagements und des Förderns von Versöhnungshandeln.
Zu Mittag sind wir im Haus des Rektors eingeladen.