Mit Polizeieskorte zum interreligiösen Dialog

19.6.13

Mit Blaulicht durch JakartaPolizeieskorte

Lange Reise von Sumatra nach Java. Nach knapp vier Stunden Autofahrt von Siantar nach Medan auf verstopfter Landstraße kommen wir noch rechtzeitig zum Flughafen. Ephorus Simarmata begleitet uns mit seinem Stab. Auf seinen Wink dürfen wir die Passkontrolle an der Warteschlange vorbei passieren. Wir landen am Abend gegen halb sechs in der Hauptstadt Jakarta. Der Weg zum Hotel in der Innenstadt ist weit, durch die Straßen wälzt sich ein zäher, lärmender Verkehr von Autos und Zweirädern. Um 19.30 Uhr steht eine Begegnung mit hochrangigen Religionsführern auf dem Programm. Die wollen wir nicht warten lassen. Doch der Ephorus hat vorgesorgt: Ein Polizeimotorrad bahnt unserem Bus mit Blaulicht und heulender Sirene den Weg. Das ist nicht einfach, denn die Menge der Fahrzeuge ist gewaltig. (Bild) Unser Polizist winkt sie zur Seite, so gut es geht, drängt sie mal nach links, mal nach rechts, so dass unser Bus durchkommen kann. Motorräder und Mopeds schieben sich zu Dutzenden vorbei, Autos drängeln in Lücken, werden von dem Mann auf dem Motorrad weggeschoben. So kommen wir zügig und privilegiert vorwärts. Kurz nach sieben sind wir am Hotel. Ohne Polizeieskorte hätten wir mindestens doppelt so lange gebraucht. Dann wäre der Abendtermin nicht möglich gewesen.

Angriffe auf Kirchen: Behörden schauen zu
„Wir leben in einem kranken Staat“, sagt Dr. Andreas Yewangwoe. Er ist Präsident der Gemeinschaft der Kirchen seines Landes, ein Dachverband, der die verschiedenen christlichen Konfessionen vereinigt. Für den Protestanten Yewangwoe hat der Staat die Nation zu verkörpern, und zur Nation gehören viele Religionen. Alle haben die gleichen Rechte. Der indonesische Staat werde seiner Pflicht nicht gerecht, alle Religionen gleichermaßen zu schützen. Wird eine Religion bedroht – so wie das Christentum immer wieder durch muslimische Fanatiker – dann erweist sich dieser Staat als desinteressiert, schwach, untätig, kritisiert Yewangwoe. Ob die Mitglieder der Regierung Christen, Muslime, Buddhisten oder Hindus sind, spielt keine Rolle. Sie tragen für das ganze Land Verantwortung. Gleiches erklärt leidenschaftlich der Generalsekretär der Toba-Batak-Kirche, Mari Sihombing. Entgegen allen anderslautenden Erklärungen schauen die staatlichen Behörden tatenlos zu, wenn Christen angegriffen und Kirchen zerstört werden, beklagt er.

Führende Vertreter der Religionen
Es ist ein festlicher Rahmen an diesem Abend in der Hauptstadt Jakarta. Führende Vertreter der Religionen des Landes sind mit uns
zusammengekommen. Zum Beispiel der Muslim Professor Din Samsudin, Asien-Präsident der internationalen Vereinigung „Religions for Peace“. Oder Mohammed Iqbal Sullam, Vorsitzender der größten muslimischen Gemeinschaft Indonesiens, Nahdlatul Ulama. Bei den mulimischen Übergriffen auf Christen handelt es sich nicht um religiöse Konflikte, sagt er, sondern es geht um etwas anderes: „Die Religion wird für wirtschaftliche und soziale Auseinandersetzungen missbraucht.“ Suhaidi ist Repräsentant der buddhistischen Gemeinschaft Walubi. „Wenn alle Religionen ihren Glauben ernst nehmen und richtig praktizieren, gibt es keine Probleme“, findet er. Der Buddhismus ist eine friedliche Religion – leider gibt es dennoch kleine Gruppen gewalttätiger Menschen buddhistischen Glaubens, nämlich in Sri Lanka und Myanmar. „Das ist eine Herausforderung für uns“, erklärt Suhaidi.
Dewa Gede Ngurah Utan spricht für die Hindu-Gemeinschaft in Indonesien. „Wir sind alle Geschwister. Das Zusammenleben mit anderen Religionen ist für uns Hindus überhaupt kein Problem.“
Auch We Li Soprisadi gebraucht das Wort Geschwister. Er spricht für die chinesische Religionsgemeinschaft Matakin, die Anhänger des
Konfuzianismus vereinigt. Alle Religionen lehren den Frieden, sagt er. Ebenso betont der Generalsekretär der katholischen Kirche, Romo Eddy Purwanto: Interreligiöse Konflikte und Gewalt sind eine Folge des Missbrauchs der Religion.

Viele Fragen
War diese Begegnung ein Wert an sich? War sie darauf angelegt, uns das gute Miteinander vorzuführen? War es ein vorsichtiges Annähern mit viel Diplomatie? War die weitgehend harmonische Darstellung mit dem Hinweis auf kleine extremistische Gruppen das, was die asiatische Höflichkeit gegenüber Ausländern gerade noch erlaubt?

Keine Antwort
Anwesend war auch ein Abgeordneter des indonesischen Parlaments. Dr. Manfred Scholle, Mitglied der westfälischen Kirchenleitung, stellte ihm eine interessante Frage. Das oberste Verfassungsgericht des Landes hat festgestellt, dass die staatlichen Organe verpflichtet sind, bei Verletzungen der Religionsfreiheit einzugreifen. Eindeutiger Hinweis der Verfassungsrichter: Der Staat muss die christlichen Kirchen vor Angriffen schützen. Doch das geschieht nicht. Wie sich Parlament und Regierung dazu verhalten, wollte Dr. Scholle von dem Volksvertreter wissen. Der gab keine Antwort, sondern wandte sich ab.

1 thought on “Mit Polizeieskorte zum interreligiösen Dialog”

  1. Die Sprachlosigkeit des Abgeordneten ist wohl auch Ausdruck asiatischer Lebensweise: Unangenehmes wird höflich ignoriert. Aber das Erlebnis illustriert das auch in Indonesien ungeklärte Verhältnis des Staates zu Religionen als gesellschaftlichen Machtgruppen. Diese können ja Unterstützung ebenso wie Bedrohung sein.

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